



Popkultur
Yesterday Film Review
Nicht das von den Imagine Dragons
Der neue Film von Dany Boyle verkauft sich allein durch seine Prämisse: Was wäre, wenn du plötzlich der einzige Mensch bist, der sich an die Beatles erinnern kann? Das klingt so spezifisch, ist aber gleichzeitig so allgemein nachvollziehbar, dass es zumindest mein Interesse sofort geweckt hat. Die Tatsache, dass das Ganze vom Regisseur von „Slumdog Millionär“ kommt, ist dann nur noch Sahne auf diesem unfassbar britischen, runden, feel-good-Kuchen, der sich Yesterday nennt.
Mir ist aufgefallen, dass ich jedes Mal, wenn ich mir grade keinen Film von Boyle ansehe (was zum größten Teil meines Lebens der Fall ist), komplett vergesse, wo der Typ herkommt, und was sein Stil ist. Bei jedem erneuten Schauen von einem seiner Filme werde ich daran erinnert, wie dreckig, schnell und seltsam der 62-jährige in seiner Regie, aber vor allem im Schnitt agiert. Das beste Beispiel dafür ist wahrscheinlich „Trainspotting“, bei dem die Realität in obszönen Maßen verbogen und gedreht wird. Wenn man sich dann daran erinnert, wer Danny Boyle ist und wofür er steht, wirkt die Paarung von ihm und dem Skript von „Yesterday“ zunächst unstimmig. Die Geschichte ist das Gegenteil von originell, trieft von Klischees, und dient letztendlich vor allem dazu, das Publikum gut gelaunt aus dem Kino zu entlassen, und darüber zu philosophieren, was für eine gute Band die Beatles ja eigentlich waren.
Trotzdem funktioniert der Film. Boyle verzichtet zwar darauf, seinen Stil über den der Story zu stellen, baut aber trotzdem immer wieder kleine Schmankerl ein, die einen daran erinnern, wessen Film das ist. Aspekte wie das schnelle Einblenden einer Google-Suche jedes Mal, wenn wir erfahren, dass etwas uns bekanntes im Universum des Films nicht existiert, sorgen außerdem für das Tempo des Films, der tatsächlich nie langweilig ist.
Zur Geschichte selbst gibt es wie gesagt nicht viel zu sagen. Dass aus einer so genialen Idee so wenige gemacht wird ist zwar schade, aber zumindest ist das Ganze am Ende schlüssig. Im Wesentlichen gibt es hier zwei nebeneinanderlaufende Storylines: Die von Hauptcharakter Jack, der ein schlechtes Gewissen hat, weil er mit den Songs von anderen Erfolg hat, und die von seiner Beziehung zu Ellie. Beide Geschichten sind schön miteinander verknüpft und spielen sogar zum Teil mit bekannten Formaten. So ist es hier nicht der Loser-Typ, der seit Jahren vergeblich seiner besten Freundin hinterherschmachtet, sondern andersrum. Außerdem hat mir die Auflösung von Jacks innerem Konflikt zu seiner plötzlichen Berühmtheit sehr gefallen, da hier ganz bewusst mit Erwartungen gespielt wird. Trotzdem wird am Schluss jegliche Hoffnung auf Konsequenzen für ein Happy End über den Haufen geworfen, was den Nachgeschmack ein bisschen bitter macht.
Wenn man über Filme redet, muss man über Schauspieler reden, was im Falle von „Yesterday“ bedeutet, man muss über Ed Sheeran reden. Der ist kein Schauspieler, und das merkt man, vor allem im Vergleich zu dem ziemlich genialen Himesh Patel. Allerdings denke ich wirklich, dass diese Story nur mit Sheeran funktionieren kann, da er der einzige aktuell erfolgreiche Musiker ist, der mir glaubhaft verkaufen kann, dass die Beatles heute genauso durchschlagend wären, wie zu ihrer Zeit. Hätte man stattdessen Kanye West in den Film eingebaut, wäre der Kontrast viel zu groß gewesen. Mit Ed funktioniert das Ganze, außerdem sorgt seine Präsenz für den besten Gag im Film. Weniger Nachvollziehbar sind andere Casting-Entscheidungen: Die erwähnte Freundin/ Love-Interest/ Managerin wird von Lily James gegeben, die ihre Rolle durchaus hinreißend spielt, aber dann doch irgendwie gar keine Chemie mit Patel hat. Kate McKinnon, die ich während des gesamten Films für Elizabeth Banks gehalten habe, spielt die böse Managerin, die mit psychotischen Gesichtsausdrücken und Stimmverlagerungen dermaßen übertreibt, dass es eigentlich nicht mehr witzig ist.
Wenn ich drüber nachdenke, gibt es viel, was mir an „Yesterday“ nicht gefällt. Als ich aber gedankenfrei, und von der fantastischen Musik berieselt im Kino saß, war ich einfach nur froh. Froh, dass es solche Ideen ins Kino schaffen. Froh, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, Musiker filmisch wert zu schätzen als verschönte Biopics. Und Froh, weil „Yesterday“ einfach fröhlich macht.
13. Juli 2019