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Medien

Deutsche Talkshows Kommentar

Was wollt ihr eigentlich?

 

Ich habe vor kurzem eine Folge „Hart aber Fair“ gesehen, in der es um das Thema Umweltschutz ging. Was ich am Ende davon mitgenommen habe ist, dass Markus Lanz, der unter anderem Gast in der Sendung war, eigentlich gar nicht so ein Schmock ist, wie ich immer dachte. Das Thema selbst wurde so angegangen, wie es in deutschen Talkshows Tradition ist: Personen mit äußerst unterschiedlichen Standpunkten werden in einer unkreativen Tisch-/Stuhlkombination zusammengesetzt und solange mit dem Stock gepikst bis einer so laut schreit, dass die Medienwelt am nächsten Tag eine nette Überschrift draus machen kann. Mir stellt sich seitdem die Frage, was überhaupt der Sinn solcher Sendungen ist, und wie man sie ändern könnte, um tatsächlich etwas zu bewirken.

„Fragen ohne vorzuführen, nachhaken ohne zu verletzen - Talk auf Augenhöhe. Jeder wird so lange Auskunft geben müssen, bis die Frage wirklich beantwortet ist". So beschreibt „Hart aber Fair“ Moderator  Frank Plasberg seine Sendung selbst. Das ist einer der aussageschwächsten Sätze überhaupt, weswegen das Programm für sich selbst sprechen muss. Also, was passiert?
Im Studio sind eine junge Aktivistin, der Umweltbeauftragte von Volkswagen, der „Welt“-Chefredakteur, die SPD-Umweltministerin, und mein Homie Markus Lanz. Diese Aufstellung ist stellvertretend für alle TV-Diskussionsrunden, aber durchaus zu Recht. Perspektiven aus der Politik, der Wirtschaft, des Journalismus und dem Privaten sind vertreten. Leicht problematisch ist, dass eigentlich alle dieselbe Meinung vertreten, nämlich, dass die Umwelt voll wichtig ist. Die verschiedenen Ansätze und Lösungsvorschläge machen das ganze aber trotzdem interessant. Die Gäste sind nicht das Problem.

 Im Verlauf der Sendung wird die Diskussion immer wieder unterbrochen. Mal um Kommentare zur Sendung aus den sozialen Medien vorzulesen, mal um einen Beitrag zu zeigen. Das ganze nimmt immensen Schwung aus der Sendung und wirkt vielmehr als Selbstzweck, statt als tatsächlicher Beitrag zur Runde. Zuschauereinbindung für die Quote, Mini-Reportagen um der Redaktion etwas zu tun zu geben. Immer wieder greift Plasberger einen Punkt von einem seiner Gäste auf, um erzwungen einen dieser Showstopper einzuleiten. Die genannten Beiträge stehen dabei stellvertretend für ein viel größeres Problem: sie haben wenig mit der Richtung zu tun, in die sich die Diskussion natürlich entwickelt, sondern mit der, die sich die Redaktion einmal für die Sendung vorgestellt hat.

Dieser Unterschied zwischen Erwartung und Realität macht sich auch an der Art bemerkbar, wie Plasberger mit seinen Gästen redet. Eine Frage wird gestellt, und der Antwortende oft nach kurzer Zeit unterbrochen, damit ihm erklärt werden kann, dass er entweder die Frage, das Thema oder die Sendung nicht verstanden hat. Das stimmt auch mal mehr mal weniger, liegt aber nicht, wie oft angedeutet, an der Arroganz der Gäste, sondern an der Undefiniertheit der Sendung. Der genaue Titel der Folge, die ich hier bespreche, war „Die Erde schwitzt, das Eis schmilzt: Wie radikal müssen wir uns ändern?“. Obwohl diese Frage ziemlich konkret ist, wird fast genauso oft darüber diskutiert, worum es hier eigentlich geht, wie über das Thema selbst. Dabei ist es selbstverständlich, dass die verschiedenen Gäste Wert auf verschiedene Faktoren legen, und dieselben Argumente zum Teil völlig unterschiedlich wahrnehmen. Es liegt aber in der Pflicht des Moderators dafür zu sorgen, dass die Diskussion auf einer Ebene stattfindet, und in der Pflicht der Redaktion, die Sendung so zu strukturieren, dass alle wissen was von ihnen verlangt wird.

Also was wollt ihr? Aufregendes übereinander Gerede oder eine Diskussion, die vielleicht sogar zu einem Konsens führt? Der beste Beweis dafür, dass es nur um ersteres geht, ist das Ende der Sendung. Eigentlich sollte es wohl eine finale Runde geben (was auch immer das heißt), aber dafür ist heute keine Zeit. Deswegen wird die Debatte ein letztes Mal unzeremoniell unterbrochen und ohne Zusammenfassung, ohne Fazit, ist das ganze vorbei.

Dass das Ganze auch anders geht, zeigen mehrere Beispiele. Einen interessanten Ansatz bietet die Sendung „So! Muncu!“. Auch wenn ich das Wortspiel im Titel nicht ganz verstehe, finde ich den Rahmen, den Moderator Serdar Somuncu seinen Gästen bietet, besser als alles was ich bei Illner, Maischberger oder Will bisher gesehen habe. Auch hier wird zwar regelmäßig unterbrochen, übereinander geredet, und gelegentlich beleidigt. Dafür bietet Somuncu immer absolute Transparenz warum er so agiert und was er möchte. Ergebnisse kommen dabei am Ende zwar auch keine raus, aber zumindest ist es Teil der Show, genau darauf aufmerksam zu machen.  

Wenn man tatsächlich konstruktive Diskussionen will, muss man ins Ausland schauen. In Dänemark gab es vom öffentlich-rechtlichen Sender „DR“ mehrere Experimente, in denen die verschiedenen Parteien in einem Konflikt auf eine Art zusammengebracht wurden, die zu Lösungen führten. Dies reicht von kleineren Beiträgen, in denen beispielsweise Lehrer und Politiker während eines Streiks mit einem Mediator sprechen, bis zu großen Events, die 24 Stunden lang Diskussionen von Regierungsmitgliedern übertragen, welche am Ende live einen Gesetzentwurf entwerfen und unterschreiben. Dieser Ansatz ist nicht nur so transparent wie möglich, auch die Moderation funktioniert grundlegend anders: Statt die Konfliktpunkte hervorzuheben wird sich auf Gemeinsamkeiten und mögliche Kompromisse fokussiert. Statt sich in die Diskussion einzubringen wird vermittelt.

Ich will nicht zu negativ sein. Die Tatsache, dass wir in Deutschland mit Informationen und Standpunkten in Form von Talkshows geradezu überflutet werden, ist gut. Mir gefällt auch, dass meistens sehr kritisch befragt und moderiert wird, statt öffentlichen Personen lediglich eine Plattform zu bieten. All das ist nicht selbstverständlich, aber gerade weil wir in einem Land leben, in dem die Presse dermaßen allgegenwertig und frei ist, wirkt es auf mich wie verschwendetes Potential, diese Position nicht lösungsorientierter zu nutzen. Wenn also das nächste mal jemand die Idee hat, irgendeinen Medienfutzi eine Stunde lang mit interessanteren Menschen in einen Raum zu setzen, und das ganze im Fernsehen zu übertragen, wünsche ich mir ein bisschen mehr Kreativität.

12. April, 2019

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