
Last Night in Soho Film Review
Soholala
„Last night in Soho“ ist ein Film von Edgar Wright. Zumindest für mich ist der Regisseur hier das Wichtigste, weil er mit einem sehr eigenen und gleichzeitig professionellen Stil sowie einem wahnsinnig befriedigenden Gefühl für Storytelling für mindestens zwei der besten Filme seit dem Jahr 2000 gesorgt hat. „Last night in Soho“ ist allerdings nicht wirklich ein Edgar-Wright-Film. Dass der Brite bei seinem neusten Projekt das Genre von Action zu Horror wechselt, hätte schon ein Hinweis darauf sein müssen, dass hier einiges anders laufen wird. Die übertriebene Kinetik, die noch in „Hot Fuzz“ und „Scott Pilgrim“ vorhanden war, wird in „Soho“ aber derart drastisch zurückgefahren, dass wohl nichts anderes übrig bleibt, als von filmischer Reife zu sprechen.
Die funktioniert in der ersten Hälfte des Films auch sehr gut. Die bekannte aber süß erzählte Geschichte von einem Mädchen, dass vom Land in die abgefuckte Großstadt zieht, lässt ohnehin nicht viel Raum für Crash-Zooms und harte Schnitte. Trotzdem schimmert Wrights Handschrift immer noch kompetent durch und macht Spaß beim Zuschauen. Der Stil wird genau im richtigen Moment hochgedreht, nämlich als der Film den Dreh ins übernatürliche vollzieht. In Kombination mit der schamlosen Zurückhaltung jeglicher Erklärung wird dabei ein Gefühl vom freien Fall erzeugt, dass fast an Betrunkensein grenzt.
Aber dann kommt der Horror ins Spiel, und es wird eklatant deutlich dass Wright hier nicht in seinem Element ist. Seine Filme enthalten zwar meistens Elemente aus dem Genre, wurden aber in der Vergangenheit immer durch Comedy ausgeglichen. Das ist hier nicht der Fall, und die ständigen Jump Scares und unausgereiften CGI-Monster werden schnell alt. Außerdem legt die Geschichte an dieser Stelle einen Sturzflug hin und erreicht schließlich ihren Tiefpunkt in einer sinnlosen Sequenz aus Herumgerenne/ -geschrei in Verbindung mit nervtötender Musik, die wohl für irgendetwas kompensieren soll. Die Auflösungen einiger Mysterien, die im Laufe des Films mal mehr mal weniger halbherzig aufgebaut werden, sind entweder inkonsequent oder vorhersehbar, und das Finale ist in seiner „Fuck it“-Attitüde fast schon beleidigend.
Trotzdem steckt in „Last Night in Soho“ einiges drin, was über Handlung und Präsentation hinausgeht. Die Nostalgie für ein London der 60er Jahre lässt dabei auch Leute nicht kalt, die die Stadt eigentlich doof finden. Auch die feministische Herangehensweise an das Horror-Genre wird interessant aufgebaut: Die Monster in Wrights Film sind übergriffige Männer und der Horror ergibt sich daraus, wie sich Frauen für Erfolg erniedrigen mussten/ müssen. Zum Schluss wird die Botschaft allerdings seltsam relativiert, sodass ich mich frage, ob das Ganze vielleicht doch ein Versehen war.
„Last Night in Soho“ lässt mich enttäuscht zurück und vielleicht ist genau das das Problem. Edgar Wright steht im Schatten seiner Meisterwerke und hat es zuletzt nicht geschafft beziehungsweise versucht, diese zu rekreieren. In seinem neusten Film geht er dabei lobenswerterweise in eine ungewohnte Richtung, scheitert aber meiner Meinung nach an den Aspekten, die ihm sonst am besten liegen: Storytelling und visuelle Wucht.
03. November, 2021

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