





Golden Age of TV Kommentar
Serien: Sie sind alle dumm
Zu dieser Zeit vor einem Jahr hatte ich absolut nichts zu tun. Ich war seit einer Weile aus der Schule raus, hatte aber noch keine Lust auf ein Studium oder sonst etwas produktives. Stattdessen habe ich Serien geguckt. Viele viele Serien. Die sind nämlich, anders als die Überschrift behaupten möchte, ziemlich unterhaltsam, und vor allem allgegenwärtig.
Programme wie ,,Netflix“ oder ,,Amazon Prime“ machen es mit ihren ,,Binge“-Modellen einfach, im Serien-Sumpf zu versinken. Ist ja auch schön und gut. Immerhin wird inzwischen permanent vom ,,Golden Age of Television“ gesprochen, was durch gut strukturierte und hochwertig produzierte Ausleger wie ,,Breaking Bad“ oder ,,Game of Thrones“ auch berechtigt ist. Problematisch wird es aber, wenn der miefige Rest bei den großen mitspielen will, indem er sich die effektivsten Mittel, um Spannung aufzubauen und cineastisch zu wirken, einfach herauspickt, ohne die nötige Grundlage aufzubauen. Wenn man dann, so wie ich vor einem Jahr, seine Tage damit verbringt, sich Serien wie Fahrtwind auf der Autobahn ins Gesicht schleudern zu lassen, fällt der Unterschied gar nicht auf.
Inzwischen studiere ich, arbeite, und habe eine Freundin, die sich wenig für Serien interessiert. Wenn ich mal dazu komme, eine Folge von irgendetwas zu gucken, entscheide ich oft in den ersten zehn Minuten, ob ich darin wirklich Zeit investieren will. Interessant fand ich dabei, wie sehr mich Serien, die mich vor einem Jahr noch begeistert haben, inzwischen langweilen. Mit der Kraft meiner geänderten Perspektive will ich deshalb nun der Welt erklären, warum ihre Lieblingsserien in Wirklichkeit scheiße sind:
Westworld
Die erste Folge von ,,Westworld“ wurde Ende 2016 auf HBO ausgestrahlt, ein Sender, der bekannt dafür ist Kulturphänomene zu erzeugen (,,Game of Thrones“; ,,Sopranos“). Vielversprechend war auch die Prämisse der Serie, in der von einem Freizeitpark voller menschenähnlicher Roboter erzählt wird, die im Verlauf der Geschichte ein Selbstbewusstsein entwickeln und Amok laufen. Die erste Staffel war auch durchaus interessant, und hatte einige Momente, in denen die Erwartungen der Zuschauer komplett auf den Kopf gestellt wurden. Allerdings ließen schon einige kleine Lücken in der Erzählung vermuten, dass ,,Westworld“ nicht ganz so genial ist, wie es sich darstellt. Von der zweiten Staffel habe ich ungefähr fünfzehn Minuten gesehen, bevor es mir zu blöd wurde. Und mit blöd meine ich langweilig. Dabei stört mich gar nicht mal der lange Abstand zwischen großen Events in der Geschichte (,,Better Call Saul“ macht das gleiche wunderbar), sondern vielmehr der langatmige, esoterische, sich selbst so unfassbar wichtig nehmende Ton, der hier in jeder Szene aus dem Bildschirm herausquillt. Um eine derartige Präsentation rechtzufertigen, sind hier einfach die Figuren zu langweilig, die Dialoge zu schlecht, und die Tricks, mit denen Spannung erzeugt werden soll, zu offensichtlich und repetitiv.
13 Reasons Why
Im zarten Alter von zwölf Jahren las ich das Buch ,,Tote Mädchen Lügen nicht“. Darin geht es um Hannah Baker, die an ihrer Highschool Kassetten hinterlässt, in denen sie diejenigen aufzählt, die sie in den Selbstmord getrieben haben. Ich dachte mir: ,,Das war ein gutes Buch“, und auch wenn zwölfjährige bekanntlich keine Ahnung von irgendwas haben, denke ich das immer noch. Deswegen war ich auch vorsichtig optimistisch, als im Jahr 2015 eine Adaption in Serienform von Netflix angekündigt wurde. Und siehe da, mir gefiel die erste Staffel sehr gut. Die dichte Atmosphäre wurde tatsächlich eins zu eins aus dem Buch übertragen, die Geschichte sinnvoll erweitert, und die Figuren treu zum Leben erweckt. Alles hätte so schön sein können, wenn nicht in den letzten zehn Minuten aus dem nichts gleich mehrere Cliffhanger eingebaut, und kurz darauf eine zweite Staffel angekündigt wurde. Die Geschichte des Buchs war fertig erzählt, aber Netflix wollte weitermachen. Von der neuen Staffel habe ich eine Folge geschaut, und mich dabei absolut verarscht gefühlt. Der neue Aufhänger für die Handlung wirkt erzwungen, die Figuren scheinen ihre Entwicklungen der ersten Staffel einfach zu wiederholen, und die Art, wie manche von ihnen weiter in die Handlung eingebaut werden, obwohl ihre Geschichte eindeutig abgeschlossen wurde, ist lächerlich. Der Soundtrack ist aber weiterhin hervorragend.
Silicon Valley
Im Gegensatz zu den zwei anderen Serien ist ,,Silicon Valley“ schon ein paar Staffeln weiter. Fünf, um genau zu sein. Am Anfang war ich wirklich begeistert. Die erste Staffel war lustig, clever geschrieben, und es fand eine Entwicklung statt, die bei Comedy-Serien eher selten zu finden ist. Während die Hauptcharaktere am Anfang noch Geld- und Mittellos versuchen ein neues Computerprogramm zu entwickeln, nimmt dieses im Verlauf immer stärkere Form an, und bringt gegen Ende erste Erfolge für die Gruppe mit sich. Dieser Trend zieht sich auch durch die zweite Staffel, in der die Entwickler versuchen, eine eigene Firma zu gründen. An diesem Punkt war der Ideenreichtum der Showrunner aber anscheindend aufgebraucht, denn ab dort wiederholt sich ständig der immer gleiche Handlungsverlauf: Es gibt eine neue Anwendungsmöglichkeit für das Programm -> Ein neuer Investor möchte dies unterstützen -> Irgendwas geht schief und alles ist im Arsch -> Und wieder von vorne. Die Figuren selbst sind immer noch gut definiert und lustig, genau wie die Schreibart der Serie allgemein. Aber nach fünf Staffeln läuft sich das ganze so langsam aus. Vielleicht wäre die permanente Rückkehr zum Status Quo auch nicht so schlimm, wenn nicht am Anfang suggeriert worden wäre, dass ,,Silicon Valley“ tatsächlich auf etwas hinausläuft.
Hätte ich immer noch die Zeit, würde ich alle dieser Serien wahrscheinlich immer noch verfolgen. Gemütliche Nebenbei-Berieslung mit dem gelegentlichen ,,What the Fuck?“-Moment liefern sie nämlich alle. Erst jetzt, wo ich mir tatsächlich Gedanken darüber machen muss, ob es mir das ganze überhaupt wert ist, merke ich aber, dass das nicht wirklich reicht. Das tolle am ,,Golden Age of Television“ ist nämlich der Event Charakter, der entsteht, wenn eine neue Folge/ Staffel erscheint. Das geht nur, wenn hinter den Cliffhangern und den Plansequenzen auch wirklich etwas dahinter steckt, wie zum Beispiel ein Showrunner mit einer Vision, eine gute Vorlage mit abgeschlossener Geschichte, oder ein Plan für den kompletten Verlauf der Serie. Alles andere ist dumm.
11. JULI, 2018