



Popkultur
Es ist kompliziert
Wenn in einer Beziehung etwas schief läuft, dann liegt das meistens an Missverständnissen aufgrund von schlechter Kommunikation. Die beiden Seiten haben dann unterschiedliche Vorstellungen davon, was ihre Aufgabe ist, was von ihnen verlangt wird, und manchmal auch wie ernst zu nehmen ihr Verhältnis überhaupt ist. All das trifft auch auf meine Beziehung zu „Avengers Endgame“ zu. Diese ist nämlich kompliziert. Ich denke wirklich, dass wir eine schöne Zeit miteinander hätten verbringen können. Sicher wäre diese nicht vergleichbar zu Beziehungen mit reiferen Filmen gewesen wie erst vor kurzem „The Favourite“, aber wir hätten zusammen lachen und weinen können. Es wäre schön gewesen und es wäre einfach gewesen, aber wie gesagt.. es ist kompliziert.
Wenn ich mit Freunden, die eigentlich eher im Mainstream unterwegs sind, ausländische oder kleinere unabhängige Filme gucke, kommt oft die Kritik „Das ist komisch/ dumm/ verwirrend“. Meine Antwort darauf ist jedes mal, dass das mit Absicht so gemacht ist. Generell denke ich, dass man Filme danach bewerten sollte, was sie versuchen zu erreichen. Schafft es ein koreanischer psycho-action-Thriller, dass ich meine Vorstellung von Rache hinterfrage und gleichzeitig Spaß an übertriebenem Kampf-Quatsch habe? Gut. Schafft es eine romantische Komödie, dass ich mich romantisch-komödiantisch fühle? Auch gut. Die selben Ansprüche an Filme mit komplett unterschiedlichen Intentionen zu stellen wäre Schwachsinn, aber genau da kommen wir zu „Endgame“, und der fehlgeschlagenen Kommunikation.
Der finale Eintrag in das, was das „Marvel Cinematic Universe“ in den letzten elf Jahren aufgebaut hat, findet einen schönen, kitschigen, aber trotzdem schönen, Abschluss für die Reihe. Von manchen Figuren wird sehr stilsicher Abschied genommen und es werden ein paar nette Bögen zum Anfang gezogen. Auch die Tatsache, dass Disney es am Ende nicht lassen konnte, selbst das vermeintliche Ende dieser Saga noch zum Anteasern von Fortsetzungen zu nutzen, ist ok, weil verdient. Wieder wird gekämpft, wieder wird jeder dramatische Moment von einem schnellen Witz aufgelockert, und wieder bekommen wir Shots, die sich an dem Ensemble-Aspekt der Reihe aufgeilen. Alles gewohnt, alles in Ordnung. Wenn man den Film erwartet, den man letztendlich bekommt, wird man mehr als zufrieden sein!
Leider hatte ich vorher das Gefühl, dass hier mehr gemacht wird, als der sichere Standard. Und, wie in jeder Beziehungskrise, denke ich nicht, dass das zu hundert Prozent meine Schuld war. Wäre es nur das Ende von „Infinity War“ gewesen, dass mir diese Erwartungen gegeben hätte, würde ich mich zu Recht als naiv bezeichnen lassen. Natürlich muss irgendein Weg gefunden werden, um die Masse an nicht- bis sehr wichtigen Charakteren, die am Ende des letzten Films weggeschnipst wurden, zurückzubringen. Konsequenz war noch nie das Steckenpferd von Marvel, und wenn mal tatsächlich jemand stirbt, dann mit mehr Tamtam. Mein Problem war vielmehr der erste Akt von „Endgame“ in dem so viele Erwartungen über den Haufen geworfen werden, dass ich wirklich enttäuscht war, als der Film danach dieselben alten Superheldentropen abklappert. Mir ist letztendlich egal, ob der riskantere und subversivere Weg, oder der sichere und bekanntere begangen wird, aber hier wird dem Zuschauer kurz eine Karotte in Form von einer Interessanten Geschichte unter die Nase gehalten, nur um sie dann durch den Schokoweihnachtsmann von vorletztem Jahr auszutauschen.
Aber auch abgesehen davon macht „Endgame“ meiner Meinung einiges schlechter als sein Vorgänger. So wird der Balanceakt zwischen Drama und Komödie diesmal nicht ganz so graziös vollzogen, und einige der humoristischen Szenen werden derart in die länge gezogen, dass sie fast an einen Gag aus „Family Guy“ erinnern. Das Hauptproblem ist jedoch der fehlende Protagonist des Films. „Infinity War“ hatte den Vorteil, dass all die kleinen Geschichten durch Thanos zusammengehalten wurden, bis sich die Wege am Ende kreuzten. So etwas gab es diesmal nicht. Ich hatte zwar das Gefühl, dass versucht wurde dem Publikum Hawkeye als Hauptcharakter zu verkaufen, aber letztendlich bekommt keine der Figuren genug Zeit, um eine glaubwürdige Entwicklung durchzumachen.
Das alles klingt so, als hätte ich keinen Spaß mit „Avengers Endgame“ gehabt, und das stimmt auch. Zwar hat mich der Anfang sehr geflasht, am Ende überwog aber die Enttäuschung. Das Gute ist aber, dass ich weiß, dass mir der Film beim nächsten mal um einiges mehr gefallen wird, weil ich wissen werde, worauf ich mich einlasse, und mich vom stumpfen Effekt-Gewitter berieseln lassen kann, statt nach dem nichtvorhandenem Sinn des ganzen zu suchen.
27. April, 2019