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Andreas Helweg Interview

"Beethoven spielt auch jeder anders"

Obwohl tausende Leser schon ein Buch von ihm in der Hand hatten, ist Andreas Helweg nicht berühmt. Er ist Übersetzer, und unter anderem verantwortlich für die immens erfolgreiche „Das Lied von Eis und Feuer“ –Buchreihe, auf der die Serie „Game of Thrones“ basiert. Ich habe mich mit Helweg auf der Buchmesse getroffen, um über seine Beziehung zum Erfolg dieser Reihe, sowie das Handwerk des Übersetzens allgemein zu sprechen.

Ist das ein Beruf auf den Sie bewusst hingearbeitet haben?

Nee, im letzten Semester des Studiums war ich noch davon überzeugt, dass ich das niemals machen würde, weil ich wollte unbedingt ein großer Autor werden. Aber es hat sich dann nach dem Studium so ergeben, dass ich doch einen anderen Zugang zum Übersetzen bekommen habe, und dann auch erste Angebote hatte. Dann bin ich  so da reingerutscht bin, und fand es eine sehr interessante Arbeit, weil man gleichzeitig schreibt, aber man braucht sich keine Geschichte auszudenken.

Was haben sie denn studiert?

Ich bin Literaturwissenschaftler, und habe mich da auch schon im Laufe des Studiums mit Übersetzungen beschäftigt. Mit Samuel Beckett zum Beispiel, da kam das Thema dann auf. Als er nach Paris gezogen ist, hat er dann angefangen französisch zu schreiben, und dann gibt es dreisprachige Ausgaben, wo man das wirklich sehr schön verfolgen kann, wie sich Texte durch die Übersetzung verändern.

Sie übersetzen hauptsächlich Fantasy Bücher. Gibt es Unterschiede beim Übersetzen verschiedener Genres?

Ich habe mich schon im Studium mit Genres beschäftigt. Meine Magister habe ich geschrieben über Krimis, und bei der Prüfung habe ich dann das Thema gehabt Science Fiction, ich war da also schon so vorgepolt.

 Natürlich hat man, wenn es um verschiedene Stilarten geht, verschiedene Ansprüche. Zum Beispiel bei einem Krimi muss ich viel genauer die zeitgenössische Sprache kennen, und viel mehr Realien recherchieren , also bei der Automarke angefangen bis zu verschiedenen Handytypen oder sonst was. Das kommt im Fantasy Roman gar nicht vor, dafür muss man dann die Namen mitübersetzen und den Überblick behalten, weil Fantasy oft über viele viele Bände geht.

Gerade bei der „Lied von Eis und Feuer“ Reihe, in der es ja auch viele Prophezeiungen gibt, und Dinge die man im Kopf behalten muss. Haben sie Kontakt zum Auto oder wie managen sie das?

Früher hatte ich den Kontakt, aber der ist leider dann, als das so durch die Decke ging abgebrochen. Im Prinzip macht man das ganz klassisch mit Glossaren, also das man sich die Namen aufschreibt. Und Textstellen such ich eigentlich immer wieder raus, ich habe alle Texte im Original als Datei im Computer, und kann darin relativ leicht suchen. Sonst ist das auch wirklich gar nicht mehr zu handhaben, weil die Bücher ja auch immer sehr viele Jahre auseinander erscheinen, dann hat man wirklich das meiste vergessen. Ich lese das dann zwar nochmal, aber es sind halt mittlerweile fünf Bände, 8000 Seiten oder so, das kann man nicht mal eben weglesen, sondern man muss da auf Technik zurückgreifen.

Wir sind jetzt auch, seit den letzten drei oder vier Büchern ein Dreierteam geworden. Das heißt, wir sind Übersetzer und Lektor, das ist ganz normal, aber wir haben auch noch einen Sachverständigen, extra für George RR Martin. Also jemand der sich extrem gut mit allem auskennt, der immer weiß, wann wer wen getroffen hat und was dann passiert ist. Das hilft ungemein, das nimmt so den Druck, weil es natürlich peinlich ist Fehler zu machen. Man passt dann immer so sehr auf, dass man sprachlich im Kopf gar nicht frei wird.

Das ganze recherchieren klingt so, als hätte es schon fast etwas Wissenschaftliches. Ist das Übersetzen trotzdem ein kreativer Beruf?

Ja, wenn man aus der Recherche heraus ist, ist es kreativ. Man hat so einen Katalog von Möglichkeiten, den kann man für jeden Satz anwenden. Man kann zum Beispiel Sätze umdrehen, man kann Sätze trennen, man hat also verschiedene Möglichkeiten dem Text ein eigenes Profil zu geben. Immer im Hinblick auf den Autor. Wo will der hin? Will der jetzt Spannung erzeugen, oder ist das eher etwas Bremsendes, was der macht? Da kann man halt fürs Deutsche eigene Sachen entwickeln und übersetzen.

Als ich ein ganz junger Übersetzer war, habe ich mal ein Buch in die Finger bekommen von einer Übersetzertagung. Da haben fünf oder sechs Übersetzer zusammen einen ganz kurzen Text übersetzt, nur einen Absatz, und es waren komplett unterschiedliche Geschichten. Jeder macht das wirklich anders, es kommt nie das gleiche raus. Es ist wie ein Instrument, Beethoven spielt auch jeder anders.

Diesen von ihnen angesprochenen Katalog von Möglichkeiten, wie benutzen sie den, um zum Beispiel eine bestimmte Stimmung rüber zu bringen?

Da ist natürlich auch viel Analyse dabei. Erstmal habe ich im Studium schon, und später dann noch mehr, viel gelesen. Man hat dann so ein Gefühl dafür, so eine Intuition, „das hat jetzt die Stimmung, und die will ich im deutschen so und so erzeugen“. Und dann kann man das natürlich auch sachlich durchgehen. Ich habe jetzt eine Stelle die soll ruhiger werden, oder trockener, dann benutze ich meinetwegen längere Sätze, oder mehr Partizipien.

Und das ist von Autor zu Autor unterschiedlich?

Das ist durchaus unterschiedlich. Da sind dann zum Teil auch starke Eingriffe notwendig. Ich sage immer, wenn man da als Übersetzer sitzt, hat man fünf Bücher vor sich: Der Autor schreibt ein Buch. Der Autor hat ein Buch geschrieben, das meint er auf ne bestimmte Art und Weise. Der Autor hat ein Buch geschrieben, dass ich lese, mit meinem Horizont. Es gibt ein Buch, das der Lektor im Verlag gerne haben und verkaufen möchte. Und es gibt ein Buch, das der Leser haben möchte. Da versucht man natürlich allen gerecht zu werden. Das ist die Aufgabe im Grunde, aber auch der kreative Prozess. Die Mehrdeutigkeiten in einem Buch zu erkennen und gleichzeitig so gut wie das möglich ist im deutschen umzusetzen. Das geht ja oft gar nicht. Oder das dann auf ne andere Art und Weise zu transportieren. So das beim Leser am Ende möglichst viel ankommt, von dem was der Autor gemeint hat, ohne das Buch damit kaputt zu machen, indem man es verwissenschaftlicht. Denn es sind Romane und es sollen Romane bleiben.

Nochmal zum technischen Aspekt: Wie gehen sie mit beispielsweise Wortspielen oder Witzen um?

Es gibt viele Hilfsmittel. Zum Beispiel für Reime gibt es Reimlexika. Wenn ich dann da rangehe, weiß ich diese Zeile bedeutet das und das, dann gehe ich die Wörter der Reihe nach durch und gucke, für welches Wort gibt’s denn einen schönen Reim im Deutschen? Die Reihenfolge kann ich mir dann ja drehen.

Bei Wortspielen muss man immer gucken. Es gibt einmal das direkte Wortspiel, inwieweit hat das mit der Geschichte zu tun? Und dann charakterisiert ja auch jemanden, meinetwegen eine Person. Die macht ein Wortspiel, während sie spricht. Da ist es oft günstiger, ein bisschen vom Inhalt wegzugehen, und dann in anderes Wortspiel zu suchen, das funktioniert, anstatt auf biegen und brechen beim Original zu bleiben.

 

Autoren entwickeln oft eine starke Beziehung zu ihren Büchern, den Welten und den Figuren darin. Ist das bei ihnen ähnlich, oder ist das Verhältnis distanzierter?

Ich glaube das ist ähnlich wie bei Autoren. Man identifiziert sich mit dem Text doch sehr stark, man kommt da gar nicht gegen an. Ich habe vorgestern noch mit einem Autor gesprochen, der meinte, dieses Buch was ich hinterher in der Hand halte, das bedeutet mir irgendwie gar nichts, das ist wie ein Fremdkörper. Ich habe dann gesagt, ja aber wenn man es liest, oder vorträgt, dann kommt man dem Ganzen wieder sehr nah. Die Geschichte ist noch in einem drin.

In diesem Fall war es Glück, dass die Buchreihe so durch die Decke gegangen ist. Wie ist es, in gewisser Weise abhängig von der Arbeit eines anderen zu sein?

Es gibt sicherlich Leute, die haben Glück, wie ich. Es gibt natürlich auch Kollegen, die werden dann extra für solche Sachen gebucht, weil sie das schon mehrfach erfolgreich gemacht haben. In diesem speziellen Fall ist es durch die Terminschwierigkeiten, die dann immer entstehen, noch schwieriger. Es kommt ja immer eine lange Zeit gar nichts, und dann ein riesen Paket. Dann ist man mehrere Monate bis zu einem Jahr einfach nur damit beschäftigt, und muss das halt irgendwie zusammenkriegen.

Sind sie bei dem nächsten Buch schon dabei?

Ich habe schon die Beispielkapitel übersetzt. Die gibt es auch irgendwo im Internet, ich glaube beim Verlag. Im Prinzip, habe ich aber noch nichts. Das ist eiserne Regel, dass das Manuskript vom Autor rausgeht, wenn es fertig ist. Dann kriegen es alle.

Die TV-Serie „Game of Thrones“, basiert auf Büchern, die sie übersetzt haben, und wir von milionen Menschen geschaut. Was für eine Beziehung haben sie dazu?

Die haben auch viel selbst gemacht, glaube ich. Da müssen die sich im Grunde mit dem Verlag einigen, weil ich trete meine Rechte an den Verlag ab. Das hat sicherlich so stattgefunden, abgesehen davon, ist der Verlag doch recht froh, dass es diese Serie gibt. Es ist oft so, wenn Film und Literatur übereinander kommen, dass die nicht unbedingt gleich übersetzt werden, aus welchen Gründen auch immer.

Ich selbst habe nach der ersten Staffel aufgehört, weil ich gemerkt habe, dass sich das fremde Bild von den Figuren komplett über mein eigenes schiebt, und ich dachte, es wäre vielleicht günstiger, wenn ich das noch ein bisschen behalte, und die Serie dann gucke, wenn das durch ist. Es ist aber ganz praktisch, eine Staffel geguckt zu haben, weil ich dann ein Bild davon habe, was die anderen Leute im Kopf haben.

Sie lesen selbst sehr viele Bücher, lieber das Original oder die Übersetzung?

Ach, sowohl als auch.

16. November, 2019

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